Als Projektleiter habe ich in einem Projekt viel selbst in der Hand. Was für Entscheide ich treffe, Fäden ich ziehe, Methoden und Worte, die ich wähle. Alles in meiner Kompetenz. Nur den Kunden und meine Ansprechpartner auf der Gegenseite kann ich nie aussuchen und muss mich arrangieren.
Eine Herausforderung, die ich eigentlich mag. Es fällt mir glücklicherweise leicht, ohne Vorurteile Menschen zu begegnen, sie als Persönlichkeit zu akzeptieren, ja sie auf eine Art ehrlich zu mögen und zu schätzen. Mit den meisten meiner ‹Gegenüber› kann ich mir gut vorstellen, auch privat einen Kaffee oder ein Bier zu trinken. Das genügt jedoch leider im Berufsalltag, konkret für ein Projekt nicht. Schlussendlich muss mein Ansprechpartner mit mir das Projekt erfolgreich abschliessen. Das beinhaltet weniger Bier trinken, mehr eine enge Kooperation, Mitarbeit, Kommunikation und schlussendlich eine Projektabnahme. Schon mehrfach habe ich erlebt, dass die Persönlichkeit des Gegenübers der zugewiesenen Rolle nicht gewachsen ist oder auch fachliche Kompetenzen fehlen. Dies aufgrund von Selbstüberschätzung oder weil das halt ’so bestimmt wurde›. Und dann wird es schwierig oder sagen wir: herausfordernd. Hier ein konkretes Beispiel einer solchen anstrengenden Kundenbeziehung:
Die Herausforderung: Der Kunde will Software, ist aber nicht in der Lage genau zu sagen, was er braucht bzw. will. Lösungskonzepte werden in Meetings mehrfach diskutiert und nicht vollständig, oder nur nach langen Erklärungen verstanden. Ohne eine Zeile Code sind bereits rund 20% des Budgets aufgebraucht. Seitens Kunden wird ein brauchbares Endprodukt erwartet.
Mein Lösungsansatz: Wir starten und nehmen den Kunden mit auf die Reise. Sobald wir als Projektteam das Problem und die Anwendungsfälle verstehen, beginnen wir priorisiert mit der Lösungsentwicklung. Parallel führen wir weitere Refinements mit dem Kunden durch, um ihn abzuholen und Fragen zu klären.
Die Herausforderung: Eine regelmässige Lieferung der Software an den Kunden scheitert aus Infrastruktur Gründen. Der Kunde sieht den Entwicklungsfortschritt nur in Demos, kann nicht selber testen. Das Abstraktionsvermögen um die neuen Möglichkeiten zu erkennen fehlt. Das zeigen Äusserungen wie «das kann ich nicht beurteilen» oder «das müssen wir dann noch anschauen». Es wird weiterhin ein brauchbares Endprodukt erwartet, das Budget ist unterdessen zu 80% erschöpft.
Mein Lösungsansatz: Wir umgehen die Software-Auslieferung und testen den Stand gemeinsam vor Ort. Auch der Business-Vertreter des Kunden, der die Weiterentwicklung dann am Schluss verwendet, ist mit eingeladen.
Die Herausforderung: Kundenprojektleiter wie Business-Vertreter nutzen nach einer kurzen Demo der Funktionalität die Möglichkeit nicht, zu testen und stellen den Stand in Frage. Es fehlt das Verständnis, dass 90% der Funktionalität implementiert ist. Der Fokus liegt nur auf dem, was noch nicht implementiert ist. Erklärungen prallen ab und werden nicht verstanden. Vorschläge, wie man weitermachen könnte, werden mit der Aussage «das muss ich mir anschauen und kann ich so schnell nicht entscheiden» verworfen. Dann der Satz: «nun ist das eingetroffen, was ich befürchtet habe».
Mein Lösungsansatz: Ich bin ratlos, breche die Sitzung vorzeitig ab und wir trinken vor dem Gehen noch einen Kaffee gemeinsam.
Und nun hat sich einmal mehr gezeigt, wie gut es war, nicht alleine vor dem Kunden zu stehen, sondern gemeinsam mit meinem Entwickler Kollegen. Er hat nämlich nicht aufgegeben und dem Kunden nochmals nahegelegt, wenigstens die verbleibenden Minuten noch für Tests zu benutzen. Der Kunde willigt ein, merkt in dieser kurzen Zeit, dass die Lösung eigentlich grundsätzlich passt. Wir können anschliessend die nächsten Schritte definieren und erhalten am Schluss sogar ein Feedback, dass wir das «gut gemacht haben».
Was wärst du damit umgegangen? Was sind deine Ansätze, um ein Projekt auch dann erfolgreich abzuschliessen, wenn die Persönlichkeit oder die fachlichen Kompetenzen deines Gegenübers die Zusammenarbeit schwierig gestaltet?
Geholfen hat mir in dieser Situation der Austausch im Team. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und das Schöne an einem Projekt ist: Es hat per Definition immer ein Enddatum 😉.
Ich wünsche dir ein gutes neues Jahr 2024 und viel mentale Kraft für die kommenden Herausforderungen.
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