Strapazierte Nerven
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Strapazierte Nerven


Es braucht viel, mich aus der Ruhe zu bringen. Und manchmal passiert es doch. Für mich sinnbildlich die Heimfahrt aus einer privat organisierten Tessin Reise mit Arbeitskollegen. Ich, der Fahrer, wollte nur noch nach Hause. Meine Beifahrer jedoch lieber in jeder zweiten Bar noch ‹kurz› anhalten für ein Bier. Für mich in diesem Moment sinnlos: die Heimfahrt dauerte gefühlt ewig, brachte mir nichts und ich bin darüber fast ausgeflippt.

Auch im Projekt waren meine Nerven kürzlich stark strapaziert. Ich fühlte mich gezwungen, etwas zu tun, das ich nicht für sinnvoll hielt und mir im Projekt nichts gebracht hat. Aber wie kam das zu Stande? Der Reihe nach: Unter turbulenten Umständen habe ich ein Projekt unkonventionell übernommen. Budgetdruck ist hoch, Ferienabwesenheiten kombiniert mit Termindruck und hohen Erwartungen machen das Projekt zusätzlich herausfordernd. Für mich waren die Erfolgsfaktoren aber schnell klar: Ein eingespieltes Team, Vertrauen, Rahmenbedingungen schaffen unter denen alle pragmatisch performen können. Wenige, aber dafür effektive und effiziente Meetings, minimales Controlling und Reporting mit dem Ziel, eine maximal mögliche Anzahl von Stunden in die Umsetzung stecken zu können.

Die Zusammenarbeit und der Fortschritt entwickelten sich dadurch wie erwartet positiv, gleichzeitig wurden aber internen Angelegenheiten immer mehr eine Belastung für das Projekt. Es ist eigentlich genau das gleiche passiert wie in meinem privaten Beispiel oben. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause (das Projekt abschliessen), fühlte mich aber aufgehalten durch Beschäftigungen, deren Sinn ich nicht sah. Was hat mich konkret gestört?

  • Durch interne Entscheide, auf die ich keinen Einfluss hatte, wurde eine zusätzliche Rolle in meinem Projekt gestafft. Ursprünglich nicht eingeplant, belastete diese Zeit und das Budget. Beides Punkte, für die ich als Projektleiter Rechenschaft ablegen muss. Ein Dilemma.
  • Die intern gestellten Anforderungen an Controlling und Reporting erforderten das Aufbereiten von Forecasts und Zahlen. Zahlen, deren Sinn ich nicht einsah und die mir für das Projekt keinen Nutzen brachten. Das Aufbereiten und die Absprachen, die dazu notwendig waren, nahmen jedoch etliche Stunden Aufwand in Anspruch. Zu Lasten des Projektbudgets. Ein Dilemma.

In diesem Beitrag geht es mir nicht darum, Mitleid zu erregen. Ich halte meine Meinung zu den obigen beiden Punkten auch nicht zwingend für die Richtige. Es geht mir eher darum, transparent über ein persönliches Dilemma zu berichten, um das Erlebte zu verarbeiten, aber auch um generell auf eine Problematik hinzuweisen: Projektleiter sind ein Bindeglied zwischen Management und Team. Das ist Fluch und Segen. Die Hierarchie zwischen Projektleiter und Team sehe ich persönlich als inexistent und lebe eher eine Rollenteilung auf gleicher Ebene. Die Hierarchie gegenüber dem Management ist jedoch viel schärfer. Das Management ist oben in der Linie, ich unten. Einerseits eine sehr dankbare Konstellation, wenn es um Eskalationen geht. Die Möglichkeit, ein Problem ’nach oben› zu tragen, zu eskalieren und Unterstützung wie Entscheide zu erhalten, hat mir schon oft das Leben erleichtert. Umgekehrt kann ich Entscheide und Anforderungen ‹von oben› zwar schon immer hinterfragen und challengen, wenn es hart auf hart kommt, muss ich diese aber ultimativ als gegeben akzeptieren. Wie in meinem konkreten Beispiel. Und das strapaziert dann meine Nerven.

Wie kam ich aus dem Ärger heraus? Ich teilte ihn mit Kollegen, konnte dadurch die Situation differenzierter anschauen. Argumentationen habe ich sachlich geführt und sichergestellt, dass relevante Stakeholder im Unternehmen meine Situation kennen und wo möglich mittragen. Schlussendlich habe ich mir einen Ruck gegeben: Kopf runter, die verlangten Aufgaben einfach machen und dann abhaken. Solange solche Aktionen die Ausnahme bleiben und nicht die Regel werden glaube ich, muss es im Arbeitsalltag auch Platz dafür haben. Der Anspruch, dass ich in meiner Arbeit immer den Sinn sehe und es so machen kann, wie ich es für richtig halte, ist unrealistisch und vermutlich auch nicht gut. Gute Lösungen entstehen meistens im Zusammenspiel und nicht zuletzt durch Reibungen.

Wie gehst du damit um, wenn du den Sinn hinter dem, was du tun musst, nicht siehst?

  • Michael Lutz

    IT Projektleiter bei der isolutions AG. Begeistert von Menschen und Technik.

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  • Philipp Meyer

    Philipp MeyerPhilipp Meyer

    Author Antworten

    Wichtig, für seinen Standpunkt einzustehen und ihn klar zu kommunizieren!

    Und der Fahrer darf/sollte eine Hierarchiestufe höher stehen – wer fährt gibt den Takt vor 😉