Vertrauen als Währung

Was braucht ein Projektleiter zwingend, um seine Arbeit ausführen zu können? Das Vertrauen anderer Menschen. Ohne dieses, lässt mich mein Projektteam links liegen, es nehmen die mühsamen Arbeiten im Projekt zu (Controlling, KPIs, Reportings, Budget- und Change-Diskussionen, …) und am Schluss ist jeder nur froh, wenn das Projekt endlich fertig und kein offensichtlicher Misserfolg ist.

Umkehrschluss ist, dass Vertrauen schaffen und erarbeiten die Basis meines Projektleiter-Arbeitsalltags ist. Ich möchte als Person aber nicht primär vertrauenswürdig wirken, durch eloquente Aussagen oder einen schönen Anzug, sondern vor allem vertrauenswürdig sein. Zum Beispiel durch die Art und Weise wie ich kommuniziere, Menschen respektiere und im Projekte integriere, oder dadurch wie ich mit Fehlern umgehe und Misserfolge kommuniziere. Wie ich Vertrauen schaffe, ist aber nicht Fokus dieses Textes, sondern drei Eigenschaften, die Vertrauen hat und deren Auswirkungen auf mich in der Praxis.

Vertrauen muss aufgebaut werden

Vertrauen sehe ich als eine Art Konto. Übernehmen mein Team und ich ein Projekt, dann beginnen wir normalerweise bei Kontostand 0. Mein Ziel: Möglichst schnell Vertrauen einzahlen. Passiert dann einmal ein dummer Fehler (z.B. ich vergesse ein Meeting), so rutscht man durch diesen ‹Vertrauensabbau› nicht gleich ins Minus. Vertrauen aufbauen braucht Zeit. Darum mag ich längere Projekte, da dort dieser Faktor irgendwann so richtig ins Gewicht fällt und es möglich macht, dass man Fehler verzeiht, einander als Mensch und Partner sieht und sich die Arbeit nicht auf Formalitäten beschränkt, sondern auf die Zusammenarbeit untereinander – und dadurch effektiv wird und Kundennutzen generiert.

In der Praxis bin ich über die letzten Monate nicht mit einem grossen Projekt, sondern mit vielen parallel laufenden kleineren Projekten konfrontiert, die ich meist auch nicht selbst starte, sondern von Anderen übernehme, inkl. der gesamten Historie. Damit verbunden sind permanent neue und wechselnde Stakeholdern und ich realisiere, wie anstrengend eben dieser Vertrauensaufbau ist und wie müde er machen kann. Umso wertvoller ist für mich dabei, als Ausgleich eine eingespielte Gruppe von Arbeitskollegen hinter mir zu wissen, die sich gegenseitig kennen, schon zusammengearbeitet haben und sich vertrauen.

Vertrauen kann ohne Selbstverschulden verschwendet werden

Du hast mühsam Geld gespart und dann streift z.B. dein Partner mit dem Auto den Hydranten und weg ist das Geld. Eine unnötige Ausgabe. Sowas gibt es auch im Projekt Alltag. So kürzlich vorgekommen bei mir: ein Projektteam, in das ich mich als Scrum Master neu integrieren durfte, hat sich über Monate Vertrauen im direkten Kundenkontakt hart erarbeitet. Eingezahlt. Nun wurde ausserhalb des Projektteams eine Arbeit versäumt, der Systemzugriff war eingeschränkt und der Kunde enttäuscht. Das Resultat: Das Vertrauenskonto des Teams wurde verschwendet, ohne eigenes Zutun.

In der Praxis realisiere ich, dass diese Art von Verschwendung mich zwar nervt und ich sie als unnötig betrachte, aber schlussendlich ganz einfach darauf zurückzuführen ist, dass wir alle nur Menschen sind und Fehler machen. Umso mehr Gewicht gebe ich dem Vertrauen. Je mehr Vertrauen in der Zusammenarbeit da ist, desto mehr Fehler können gemacht werden. Und Fehler, bzw. das Handling der Fehler, haben wiederum grosses Potential, Vertrauen aufzubauen! Vertusche ich den Fehler, lüge ich über die Ursachen, bleibt mein Kontostand tief. Stehe ich zu dem Fehler, kommuniziere ich ihn transparent, entschuldige ich mich dafür und setze mich für die Wiedergutmachung ein, dann kann mein Vertrauens-Kontostand nach dem Fehler sogar höher sein als zuvor!

Kein Vertrauen zu haben setzt unter Druck

Ist mein Bankkonto leer, so kommen sofort existentielle Fragen auf. Wie kann ich meine Familie ernähren? Wie kann ich die nächste Rechnung bezahlen? Wie kann ich Einkommen generieren? Genau so bei einem frisch übernommenen oder gestarteten Projekt. Ich als Projektleiter kenne den Kunden noch nicht, entsprechend ist das Vertrauenskonto leer, es stehen Erwartungen im Raum und ich muss mich beweisen. Es kommen existentielle Fragen auf: Bin ich dem Projekt überhaupt gewachsen? Wie kann ich die Kundenerwartungen erfüllen? Was kann ich tun, damit mich der Kunde akzeptiert und respektiert? The pressure is on!

In der Praxis spüre ich diesen Druck bei jedem Projektstart stark. Was mir hier hilft, damit umzugehen, sind positive Erlebnisse aus der Vergangenheit, also die zahlreichen Begegnungen, in denen bereits eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden ist. Dadurch kann ich trotz Druck selbstbewusst ins erste Meeting gehen und dem Kunden mit einer Ausstrahlung begegnen, dass ich alles im Griff haben werde und auf seiner Seite bin.

Fazit: Vertrauen muss vorgeschossen werden

Das ist mein persönliches Learning über die letzten Monate. Denn nicht nur ich möchte gegenüber Kunden und Kollegen Vertrauen aufbauen! Auch umgekehrt begegnen mir immer auch Menschen, die mein Vertrauen brauchen und wollen. Und diesen Menschen möchte ich mit offenen Armen begegnen. Ihnen den Vertrauensvorschuss geben, den ich mir selbst jeweils wünsche und ihnen so den Druck wegnehmen, sofort performen zu müssen. Ich möchte mit meiner Haltung, meinen Worten wie Taten ausdrücken, dass ich sie als Mensch wertschätze und ihnen vertraue, dass, was immer wir gemeinsam vorhaben, sicher gut kommt.

Was macht deinen Job anstrengend?

  • Michael Lutz

    IT Projektleiter bei der isolutions AG. Begeistert von Menschen und Technik.


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Kommentare

  • Marc Rufer
    Marc Rufer

    Marc Rufer

    Erneut ein sehr inspirierender, authentischer Post! Die Einblicke in deinen Alltag und deine Herausforderungen sind super spannend und inspirierend. Im Umgang mit Menschen bist du für mich ein absolutes Role-Model! Ehrlich, authentisch, lösungsorientiert und ein guter Zuhörer. Weiter so!