War es der eine kleine Fehler, oder waren es die übrigen, perfekt gelösten Aufgaben, auf die du dich im obigen Bild fokussiert hast? Wenn Erstes, dann ging es dir wie mir, als ich die Prüfung meiner Tochter angeschaut habe.
Fehler oder Lösung – wo ist dein Fokus?
Mein erster, intuitiver Gedanke beim Anblick der Note 5.5 war: «Ja was hat sie dann falsch gemacht?«. Ich begann sofort zu suchen, ignorierte all die gelösten Aufgaben, bis ich einen Fehler fand, bei dem ich dann fast genug tuend feststellte: «Ja klar, das ist falsch, das hätte ich gewusst». Dieser Gedanke führte bei mir unterbewusst zu einer Haltung, dass die Note 5.5 auf eine Art selbstverständlich ist und hat nicht dazu beigetragen, dass ich meine Tochter und ihre Leistung würdige und sie ermutige.
Dann habe ich mich entschieden, bewusst die andere Haltung einzunehmen und den Fokus einmal auf die vielen korrekt gelösten Aufgaben zu legen. Als ich diese angeschaut habe, realisierte ich: Wow, meine Tochter ist echt gut. Und: auch ich hätte bei vielen Aufgaben nachdenken müssen und potenziell Fehler gemacht. Mit diesem Eindruck, aus einer Art Demut heraus, konnte ich meiner Tochter aufrichtig und authentisch meine Anerkennung ausdrücken.
Halb leer oder halb voll – für was entscheidest du dich?
Ich glaube, dass meine bewusste Entscheidung, auf was ich mein Blickfeld lege, massgebend bestimmt, wie ich mich fühle und auf andere wirke. Das betrifft Privat- gleichermassen wie Arbeitsleben, Projekte. Ist der ‹Fehler›, die ‹Irritation›, das ‹halb leere Glas› im Fokus, dann stehe ich den ’negativen› Gedanken mehr Raum zu als sie verdient haben. Diese verdrängen im Gegenzug dann immer mehr die Positiven. Entscheide ich mich aber für das ‹halb volle Glas›, dann ist es umgekehrt! Und selten ist es ja bei Gedanken geblieben. Gedanken prägen mein Selbst- und Weltbild, lösen Emotionen aus und führen oft auch zu Worten und Taten.
Die Menschen, die mich am meisten beeindrucken, haben Ausstrahlung. Und es sind Menschen, deren Worte und Taten authentisch und positiv geprägt sind. Menschen, dir mir dadurch irgendwie gut tun und mir das Gefühl geben, dass ich so wie ich bin, akzeptiert und wertgeschätzt bin. Und dieses ‹angenommen fühlen› erlaubt mir dann wiederum eine gesunde Sicht auf meine ‹Fehler›, nämlich dass ich sie als Möglichkeit sehen kann, daraus zu lernen und mich zu verbessern. Und sie nicht ignoriere oder krampfhaft unter Druck versuche, sie zukünftig zu vermeiden. Solche Menschen in meinem Umfeld zu haben, dafür bin ich dankbar.
Auf was schaust du?
Was macht diese Sicht mit dir?
Was strahlst du dadurch auf dein Gegenüber aus?
Kommentare
Reto Rüetschi
AuthorAlle Kinder wünschen sich wohl einen Papi, der den Fokus auf die richtig gelösten Aufgaben richtet. Das Beispiel zeigt sehr schön, dass wir das aber wohl sehr oft und nicht ohne weiteres so machen. Vielen Dank für den wunderbaren Beitrag, Michael. Er hilft mir, den Fokus in Zukunft hoffentlich immer richtig auszurichten.