Raum geben

Du gehst in ein Restaurant, aber da ist kein Tisch mehr frei. Du möchtest dich in einem Meeting mitteilen, aber kommst nicht zu Wort. Du möchtest deine Ferienfotos in die Cloud laden, aber erhältst die Meldung, dass der Speicher voll ist. Was diese zusammengewürfelten Beispiele gemeinsam haben, ist, dass da eigentlich immer dasselbe fehlt: Da ist kein Platz für etwas, das platziert werden will. Da ist kein Raum!

Als Projektleiter ist es eine meiner Hauptaufgaben, Raum zu schaffen. Damit Zusammenarbeit möglich wird, Kommunikation und Information Platz bekommen. Aber auch dafür, dass Arbeiten zu Gunsten des Projektziels erledigt werden können, so effektiv wie möglich. Und um eben diese effektive Zusammenarbeit zu erreichen, ist in der Methode Scrum die Retrospektive vorgesehen – ein regelmässiger Event für das Entwicklungs-Teams mit dem Ziel, die Zusammenarbeit der letzten Wochen zu reflektieren, daraus zu lernen und für die nächsten paar Wochen konkret zu verbessern. In vielen meiner Kundenprojekte nach Scrum plane ich eine solche Retrospektive fix ein und erlebe, wie diese die Zusammenarbeit im Team fördert.

Aber nicht immer stehe ich Retrospektiven den Raum zu, den sie haben sollten. Was mir konkret nachfolgende Erlebnisse gezeigt haben:

Kundenprojekt A, eine regelmässige Retrospektive ist eingeplant. Meine Einschätzung aber und mein Bauchgefühl aufgrund der Gespräche im Team und generell dem Projektverlauf ist: Wir brauchen heute keine Retrospektive, es passt alles so wie es ist. Ich sage diese deshalb ab. Wenig später schreibt mir ein Teamkollege: «Ich habe gerade gesehen, dass du die Retrospektive abgesagt hast, könnten wir diese nicht doch oder an einem anderen Zeitpunkt machen? Ich hätte etwas, das ich gerne einbringen möchte.». Ertappt!
💡Learning: Meine eigene Einschätzung darf einer Retrospektive nicht den Raum wegnehmen

Kundenprojekt B, es gibt keine regelmässige Retrospektive. Das habe ich so aufgesetzt, weil im Moment wenig Arbeitszeit in das Projekt investiert wird und ich deshalb die Retrospektiven für wenig sinnvoll halte. Dann erfahre ich zufällig und indirekt, dass mein Kundenansprechpartner scheinbar mein Team als langsam anschaut und dies intern so kommuniziert. Ich erzähle diesen Umstand einer Arbeitskollegin und dass mich das stört. Darauf der Vorschlag: «Warum machst du denn keine Retro?». Ertappt!
💡Learning: Rückmeldungen können nur platziert werden, wenn auch Raum dafür da ist

Wenn ich es als Projektleiter es schaffe, für die Einschätzung und Meinung meiner Kunden und meinem Projektteam Raum zu schaffen, ist das die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit. Was es aber zusätzlich braucht ist, dass dieser geschaffene Raum für mein Gegenüber als sicher empfunden wird, als ’safe space›. Dass zu 100% klar ist, jeder Input ist willkommen, wird nicht abgewertet, sondern ernst genommen, konstruktiv geprüft, allenfalls diskutiert und potentiell angenommen. Ich empfinde es deshalb als grosses Privileg, das Vertrauen meiner Kollegen dadurch zu spüren, dass sie mir gegenüber offen ihre Sorgen, Ängste oder Vorschläge zum Projektverlauf mitteilen und damit meistens nicht mal bis zur nächsten Retrospektive warten.

Wo ist es bei dir dran, Raum zu schaffen, damit Andere Platz haben?

  • Michael Lutz

    IT Projektleiter bei der isolutions AG. Begeistert von Menschen und Technik.


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