Worin bist du so richtig gut? Was zeichnet dich aus? Womit stichst du heraus? Diese Fragen habe ich mir kürzlich gestellt, als ich für einen öffentlichen Auftritt überlegt habe, für was ich als Person stehe, was für drei Hashtags ich dafür verwenden würde.
Einer lautete #kindness. Es ist meine Stärke, praktisch allen Menschen offen, empathisch und liebevoll zu begegnen. Unabhängig vom Kontext, Ihrem Aussehen, Verhalten. Im jeweiligen Gespräch mit Einzelpersonen, wie in einer Gruppe, bin ich feinfühlig auf Spannungen, sich anbahnende Konflikten und stets bestrebt, diese im Keim zu ersticken zu Gunsten der Harmonie. Tönt gut? Viel zu gut, denn es ist nur eine Seite der Medaille.
Meine Stärke ist nämlich zugleich meine grosse Schwäche. Eine Aussage meines Dozenten aus meinem DAS in Leadership dazu werde ich nie vergessen: “Jede Stärke, extrem ausgelebt, ist auch deine Schwäche”.
Zurück zu meinem Hashtag #kindness – dieses Mal umgekehrt formuliert. Es ist meine Schwäche, dass ich Konflikte oft um jeden Preis vermeide, mich selber zurücknehme, nicht widerspreche und notwendige, aber unangenehme Gespräche vermeide. Dies führt langfristig zu unausgesprochenen Spannungen. Mein Harmoniebedürfnis bringt mich dazu, Kompromisse einzugehen, die meinen Bedürfnissen widersprechen und meine Grenzen überschreiten. Tönt schlecht? Genau, denn dies ist die andere Seite der Medaille.
Bei einem Job-Interview wurde mir schon gesagt: “Noch nie habe ich jemanden angestellt als Projektleiter, mit so einem Persönlichkeitsprofil und so einer tiefen Durchsetzungskraft”.
Schon unzählige Male bin ich im Geschäftsalltag über meine Stärke, bzw. eben Schwäche gestolpert. Den Kunden zu spät darüber informiert, dass das Budget bald fertig ist – aus Angst über seine vermutlich unzufriedene Reaktion. Meine Team-Kollegen nicht konstruktiv auf ihr teilweise unpassendes Verhalten hingewiesen – in der Angst, dass Streit aufkommt und die Beziehung belastet. Dem Kunden eine E-Mail geschrieben anstelle den Kontakt via Meeting oder Call zu suchen, um die direkte Konfrontation zu vermeiden. Beim Projekt Steering wichtige Punkte nur zwischen den Zeilen angesprochen. Und, und, und. Die Liste geht endlos weiter – auch im Privatleben.
Schritt für Schritt versuche ich über die Jahre, den gesunden Umgang mit Konflikten, Grenzen setzen und konstruktives Feedback geben zu lernen. Und doch bin ich dankbar dafür, so zu sein wie ich bin – nett (kind). Es ist für mich eine Quelle von Glück. Kürzliches erlebt während Ferien in einem All-Inclusive Hotel:
Im Restaurant fällt einer Servicekraft eine Gabel herunter. Ich lese sie auf, gebe sie ihr mit einem Lächeln zurück und der gedachten Haltung “Danke, für deinen harten Job hier jeden Tag”. Das strahlende Gesicht sehe ich noch heute vor mir. Es hat Dankbarkeit ausgedrückt, wertgeschätzt und nicht herablassend behandelt zu werden. Ihr Dank kam direkt zurück: Jeder unserer leeren Teller war in sekundenschnelle weg, uns wurde entgegen dem sonstigen Service direkt Kaffee und Tee angeboten.
Kindness, Freundlichkeit tut nicht nur gut und ermutigt. Es steckt auch an, wird weitergegeben und vermehrt sich!
Was ist deine Schwäche und wie machst du sie dir zur Stärke?
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